Ruhla 1929

Über Ruhla 1929

Die Wiedergeburt der Ruhla-Uhren: Eine Geschichte von Tradition und Innovation

Gebrüder Thiel: Eine Legende wird geboren

1862 in dem thüringischen Städtchen Ruhla, das seit Jahrhunderten für sein handwerkliches Geschick im Metallbereich bekannt war, gründeten die Brüder Georg und Christian Thiel die "Gebrüder Thiel GmbH". Ursprünglich spezialisierte sich das Unternehmen auf die Herstellung von Kleinteilen wie Pfeifenbeschlägen, doch der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Schon bald übernahmen sie weitere Firmen und expandierten rasant. Der endgültige Durchbruch erfolgte mit der Entwicklung einer Kinderspieluhr, die sich hervorragend verkaufte und das Unternehmen auf den Weg brachte, sich auf die Produktion von Uhren zu konzentrieren.

Günstige Taschenuhren aus Ruhla: Ein gewagter Schritt

Die Thüringer zeigten nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch eine beeindruckende Portion Mut. Trotz ihrer kleinen Metallwarenfabrik beschlossen sie, die Herstellung von Kinderspieluhren und Taschenuhren für den Weltmarkt zu wagen. Der Mechaniker Emil Dürer konstruierte ein außergewöhnliches Uhrwerk mit einem Figurenautomaten, dessen Motiv der furchtlose Schmied war. Diese Uhr, genannt "Fearless" (Furchtlos), wurde ab 1892 zu einem internationalen Erfolg und war dank Serienproduktion zu einem erschwinglichen Preis von nur 3 Mark erhältlich. Damit war der Grundstein für die Uhrenproduktion in Ruhla gelegt.

Armbanduhren erobern den Markt: Modernität im Bauhaus-Stil

Während der Weimarer Republik präsentierte sich Ruhla als moderner Ort. Das im Bauhaus-Stil erbaute Verwaltungsgebäude von 1929 unterstrich Thiels Stellung als ein fortschrittliches Unternehmen, das mehr als die Hälfte seines Umsatzes im Export erzielte. Neue Produkte wie Armbanduhren fanden zunächst vor allem bei berufstätigen Frauen Anklang. Die Herren bevorzugten weiterhin Taschenuhren, insbesondere solche mit Weckfunktion. Thiel meisterte die Absatzflaute während der Weltwirtschaftskrise um 1930, indem sie innovative Spezialmaschinen verkauften.

Ruhla während des Nationalsozialismus: Vom Traditionshersteller zur Kriegswirtschaft

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 änderte sich die Produktpolitik Thiel nur wenig. Traditionelle Taschenuhren wichen Armbanduhren, die nun auch für Männer erhältlich waren. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion fast vollständig auf Zünder umgestellt, an deren Herstellung später Hunderte von Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter beteiligt waren. Tief in die Kriegswirtschaft involviert, wurde das Unternehmen 1945 der Familie Thiel durch Enteignung entzogen, das Vermögen beschlagnahmt und alle aktiven Mitglieder der NSDAP entlassen.

Planwirtschaft in Ruhla: Von der Enteignung zur sozialistischen Uhrenproduktion

Nach dem Krieg wurde Ruhla wider Erwarten nicht demontiert, sondern von der sowjetischen Besatzung verstaatlicht. Im Jahr 1952 ging die Uhrenfabrik in Volkseigentum über, und die Planwirtschaft hielt Einzug. Mit einer automatisierten Produktionsstraße für das eigens entwickelte Kaliber 24 setzte Ruhla im Jahr 1967 Maßstäbe. Dieses Uhrenwerk wurde in Massenproduktion gefertigt und diente vor allem dem Devisenbringer-Export. Trotz zentraler Preisgestaltung schaffte es das Unternehmen in den 1980er Jahren, eine eigene Chipverarbeitung aufzubauen.

Die Wende zum Guten für die Uhrenwerke Ruhla

Der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1990 bedeutete auch das Ende des VEB Uhrenwerke Ruhla. Führungskräfte übernahmen im Oktober 1991 einen Teil des Uhrenbereichs und führten ihn unter dem Namen "Gardé" weiter. Trotz einer stark reduzierten Belegschaft produzierte Gardé weiterhin typische Produkte aus Ruhla, insbesondere Armbanduhren. Der Wegfall der Vertriebspartner stellte zunächst ein Problem dar, doch die Einführung von Funkarmbanduhren erwies sich als Glücksgriff und wurde zum Exportschlager. Auch Nischenprodukte, wie Schachuhren, fanden ihren Platz im Sortiment.

Das neue Kapitel POINTtec: Tradition trifft Innovation

Im August 2019 übernahm die deutsche Uhrenfirma POINTtec aus Ismaning bei München die Uhrenmontage in Ruhla, nachdem sie jahrzehntelang als Produktionskunde mit Gardé zusammengearbeitet hatte. Neben der Produktion erwarb POINTtec das Bauhaus-Gebäude sowie das darin beheimatete Uhrenmuseum. POINTtec, gegründet im Jahr 1987, belieferte stets erstklassige Lieferanten und entwickelte sich zum Hersteller von Luxusuhrenkomponenten. Der Gründer und Inhaber von POINTtec, Willi Birk, verfolgte stets das Ziel, seinen Kunden Uhren von höchster Qualität zu einem bestmöglichen Preis-Leistungsverhältnis anzubieten.

Die Marke Bauhaus: Ein Tribut an das Design

POINTtec feierte die Übernahme seines Produktionspartners in Ruhla mit der Einführung der Marke "Bauhaus", die Uhren im Stil der berühmten deutschen Designrichtung herstellt. Bereits unter anderen POINTtec-Marken, wie "Iron Annie" und "Zeppelin", wurden Uhren im Bauhaus-Stil gefertigt. "Iron Annie" erinnert an die berühmte Ju52, die später im Dienste der Lufthansa unter dem Namen D-AQUI bekannt wurde. Die dritte Marke von POINTtec, "Zeppelin", greift die Ära der "fliegenden Zigarren" auf und montiert ihre Uhren bereits seit Jahrzehnten in Ruhla.

Die Wiedergeburt der Ruhla-Uhren: Tradition und Innovation leben weiter

Die Geschichte der Gebrüder Thiel und ihrer Nachfolger in Ruhla ist geprägt von Tradition und Innovation. Von den bescheidenen Anfängen in einer kleinen Metallwarenfabrik bis zur Übernahme durch POINTtec, die die Uhrmacherkunst in Ruhla fortführen, zeigt diese Geschichte, dass die Werte und die Handwerkskunst der Vergangenheit weiterhin lebendig sind. Die Ruhla-Uhren sind mehr als nur Zeitmesser; sie sind ein Stück deutscher Uhrmachertradition und ein Symbol für die Fähigkeit, sich den Veränderungen der Zeit anzupassen, ohne die Wurzeln zu vergessen.

Ruhla 1929 Uhren